Gerade behinderte Menschen werden auf dem Arbeitsmarkt häufig benachteiligt. Viele von ihnen finden nur im Niedriglohnsektor Arbeit und selbst, wenn sie dort einen Arbeitsplatz finden, verdienen sie meist nicht genug, um ihren Lebensbedarf zu decken. Auch im vorliegenden Fall ging es um dieses Thema. Der Bundesfinanzhof entschied letztlich, dass ein behindertes Kind, nur weil es einer Arbeit nachgeht, sich nicht allein dadurch aus eigener Kraft unterhalten kann.
Behindertes Kind kann trotz Erwerbstätigkeit nicht für seinen Unterhalt aufkommen
Konkret ging es um das Kind der Klägerin, das bereits seit seiner Geburt gehörlos ist. Nachdem es die Gehörlosenschule besucht hatte, absolvierte es eine Ausbildung zur Beiköchin in einem Bildungswerk speziell für Hör- und Sprachgeschädigte. Der Arbeitsplatz von Beiköchen befindet sich meist in Großküchen von Altenheimen und Krankenhäusern. Die Beiköche arbeiten in der Regel unter Aufsicht und nach Anweisung erfahrener Köche. Nachdem das Kind seine Ausbildung absolviert hatte, arbeitete es als Köchin. Allerdings stellte sich bald die Arbeitslosigkeit ein, aus der es sich befreien konnte und Arbeit als Küchenhilfe in einer Fleischerei fand. Während seiner Berufstätigkeit konnte es mit seinen Einnahmen jedoch nicht seinen kompletten Lebensbedarf decken.
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§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes muss gelten
Als Voraussetzung dafür, dass ein behindertes Kind im steuerrechtlichen Sinn Berücksichtigung findet, muss § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes gelten, demzufolge das Kind aufgrund seiner Behinderung nicht dazu in der Lage ist, für seinen Unterhalt selbst aufzukommen. Das Finanzgericht sah diesen Leitsatz als nicht erfüllt an und urteilte, dass kein Kindergeldanspruch bestehe. Als Begründung führte es an, dass das Kind einer Arbeit nachgehe und deshalb auch selbst für seinen Unterhalt aufkommen könne. Die Tatsache, dass der Lohn des Kindes nicht genüge, liege an den niedrigen Verdiensten, die Beiköche generell erhalten und nicht an der Behinderung.
BFH widerspricht der Beurteilung des Finanzgerichts
Dieser Ansicht widersprach der Bundesfinanzhof, denn ausschlaggend sei die Frage, weshalb ein Kind, das einer Tätigkeit nachgeht, trotzdem nicht für sich selbst sorgen kann. Gründe existieren reichlich, so gibt es auch nicht behinderte Menschen, die trotz Anstellung nicht für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, was mit dem allgemein niedrigen Lohnniveau zusammenhängt. Wenn dies der Fall ist, kann keine steuerliche Berücksichtigung stattfinden, denn die Ursache ist die schlechte Arbeitsmarktsituation und nicht die Behinderung. Allerdings kann es auch sein, dass das Kind gerade wegen seiner Behinderung bereits im Vorfeld in seiner Berufswahl derart eingeschränkt ist, das es lediglich einen behinderungsspezifischen Beruf erlernen kann, bei dem die späteren Tätigkeitsmöglichkeiten eher ungünstig sind. Somit wäre die Behinderung die eigentliche Ursache. Welcher Grund nun im spezifischen Fall vorliegt, muss das Finanzgericht feststellen. Somit hat der Bundesfinanzhof die Sachen nochmal an das Finanzgericht zurückverwiesen.
- Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs vom 6. Juni 2012