Ausgrabung des Leichnams für Vaterschaftstest
Verfasst von Christian Schebitz am 21. Januar 2015

Nicht eindeutig zu wissen, wer sein leiblicher Vater ist, empfindet die Mehrheit der Bevölkerung für belastend. Durch einen Vaterschaftstest des möglichen Erzeugers können Unklarheiten binnen kurzer Zeit aus der Welt geschafft werden. Doch was, wenn der potentielle Vater bereits verstorben ist? Darf die Leiche im Zuge der Vaterschaftsfeststellung ausgegraben werden? Es gilt abzuwägen: Sind die Interessen des Kindes in Bezug auf seine Abstammung höher zu bewerten als das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen? Über diese Frage hatte der Bundesgerichtshof im zugrundeliegenden Rechtsstreit zu urteilen.
Recht auf Vaterschaftsfeststellung
Die Antragstellerin wurde 1944 in der späteren DDR geboren. Mit ihrem Antrag begehrte sie die Feststellung, dass der im Jahr 2011 verstorbene S. ihr leiblicher Vater sei. Sie ist der Überzeugung, dass es innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit zwischen S. und ihrer Mutter zum Geschlechtsverkehr gekommen ist. Als die Antragstellerin 18 Jahre alt wurde, erzählte ihr die Mutter von ihrem leiblichen Vater. Da sie in Bezug auf die Vaterschaft Gewissheit haben wollte, beantragte sie die Leiche des S. zu exhumieren, damit eine Gewebeprobe entnommen und die Vaterschaft festgestellt werden konnte. Das Amtsgericht hat diese Anträge jedoch abgewiesen. Dagegen legte sie Beschwerde ein, woraufhin das Oberlandesgericht die Exhumierung anordnete, um ein DNA-Abstammungsgutachten erstellen zu lassen. Dagegen wehrte sich jedoch der eheliche Sohn von S., was letztlich erfolglos blieb. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Vaterschaftsfeststellung zulässig ist, da die Antragstellerin genügend Anhaltspunkte für die Vaterschaft des S. liefern konnte. Des Weiteren sei eine Exhumierung auch deshalb notwendig, da sich der Sohn geweigert hatte, sein eigenes DNA-Material für einen Nachweis zur Untersuchung bereitzustellen.
Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen vernachlässigbar
Das Interesse an der Vaterschaftsfeststellung werde außerdem nicht dadurch gemildert, dass die Antragstellerin bereits seit einigen Jahren von der möglichen Vaterschaft wusste. Auch die Tatsache, dass die Feststellung in erster Linie aufgrund der Geltendmachung des Erbrechts gefordert wurde, schmälert das legitime Interesse der Antragstellerin nicht. Das Recht des Verstorbenen auf Totenruhe ist demnach geringer einzuschätzen als das Recht eines Kindes auf die Kenntnis seiner Abstammung.
- Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2014; AZ: XII ZB 20/14
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