Fachbeitrag 15.07.2014

Doppelte Staatsangehörigkeit und Erbrecht


Das Erbrecht richtet sich in Deutschland hauptsächlich nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Wenn der Verstorbene ein Deutscher war, gilt also deutsches Erbrecht für die Verteilung des Nachlasses, wenn er eine andere Staatsangehörigkeit hatte, gilt ein anderes Erbrecht. Dadurch sind dann vor allem die Erbquoten bei der Verteilung zwischen Witwe und Kindern unterschiedlich hoch oder auch das Bestehen von Pflichtteilsansprüchen von den nationalen Regelungen des Heimatrechts des Erblassers abhängig. Soweit ist das für Juristen und Nachlaßgerichte noch einfach zu handhaben.

Inzwischen ist aber die mehrfache Staatsangehörigkeit immer weiter verbreitet. Viele Migranten und deren Nachkommen haben zwei oder drei Staatsangehörigkeiten gleichzeitig. Die wenigsten Betroffenen wissen, was das für Konsequenzen hat. Im Erbfall bedeutet das nämlich, daß bei der Vorlage des einen Passes der Erbschein für den einen Miterben günstiger ausfällt, bei der Vorlage des anderen Passes des Erblassers schaut es für den anderen Miterben besser aus. Deshalb kommt es immer häufiger vor, daß ein Erbschein erteilt wird, der dann anschließend von einem Miterben angezweifelt wird, weil der Erblasser doch eine ganz andere Nationalität gehabt habe. Klarheit gibt es in solchen Fällen kaum, oft genug sind auch nahe Verwandte überrascht, welche Staatsangehörigkeiten der verstorbene Verwandte hatte.

Besonders deutlich werden die Unterschiede dann, wenn der Erblasser verheiratet war, ohne einen Ehevertrag zu haben. Nach deutschem Recht bekommt die Witwe bzw. der Witwer dann nämlich als pauschalierten Zugewinnausgleich eine Erhöhung der Erbquote um ein weiteres Viertel. Wenn der Erblasser aber im Ausland geheiratet und gelebt hat, müßte dafür auch der andere Ehegatte deutsche Staatsangehörigkeit gehabt haben. Für Ehen im Ausland gilt nämlich nur dann deutsches Recht, wenn beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Bei einer Eheschließung im Ausland wird aber vom Standesamt vorrangig die Staatsangehörigkeit festgestellt, die dort die „eigene“ ist. Das führt schnell dazu, daß die deutschen Verwandten des Erblassers beim Antrag auf den Erbschein im Vertrauen hierauf einen Antrag mit Erbquoten stellen, die Ihnen dann zustehen, wenn der Erblasser nicht im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat. Sobald der ausländische Ehegatte dann aber einen deutschen Zweitpaß präsentiert, muß der Erbschein wieder eingezogen und einer mit ganz anderen Erbquoten ausgestellt werden. Dieses Verfahren kostet viel Zeit, Gebühren und Nerven.

Wer selbst mehrere Staatsangehörigkeiten hat oder einen Ehegatten mit mehreren Staatsangehörigkeiten, der sollte sich also gut beraten lassen, damit nicht großer Streit um sein Erbe entsteht.

Rated 3,3 out of 5
3,3/5 (992)
Autor

Rechtsanwalt
Fachbeitrag von einem unserer 56.725 Anwälte. Sind Sie Anwalt und möchten einen Fachbeitrag beisteuern, der im Durchschnitt 456 x pro Monat gelesen wird? Mehr zu unserem Kanzleimarketing für Anwälte.